Ein Leben ohne Schule kann in verschiedenen Varianten gestaltet werden. Wenn wir genauer differenzieren, ergeben sich unterschiedliche Nuancen auf dem selbstbestimmten Lebensweg und dementsprechend auch andere “Kategorien”. Dazu findest Du auf der Beyond School Seite alle Infos ausführlich: Hier Beyond School lesen
Das Kind muss ja meistens einen Namen haben. Wenn Familien mit Freilernern angesprochen werden, welchen Status ihre Kinder denn nun eigentlich haben, dann kann es sehr entlastend sein, wenn es da einen Titel, ein Kennzeichen, eine Schublade gibt, die man den Fragestellern anbieten kann. Wenn die Klassifizierung “SCHüLER” entfällt, kann bei vielen Menschen das Statusfeld nicht einfach leer bleiben. Sie sind irritiert, wenn sie begreifen, da gibt es lebende Wesen zwischen 6 – 18 Jahren, die gehen ganz bewusst nicht zur Schule.
Freilerner sind dann oft mit Empörung, Verunsicherung und Ratlosigkeit konfrontiert. Ist man in der Lage, das leere Statusfeld neu zu besetzen, gibt es wenigstens eine leichte Beruhigung in der Kommunikation. Aaaah, die Kinder sind nicht einfach NICHTS oder machen bloß NICHTS, sondern sie sind Unschooler, Homeschooler, Worldschooler oder Beyondschooler. Das ist doch schon mal was.
Aber was eigentlich? Die Irritation von vielen Erwachsenen, auch von manchen Kindern, erfordert doch manchmal etwas Erklärung. Wobei es ja genau genommen niemanden etwas angeht, wie und wo man sein höchstpersönliches Leben gestaltet. Aber beim Thema Bildungswege wollen eigentlich doch alle irgendwie mitreden.
Als wäre es nicht anspruchsvoll genug, als Familie ins Freilernerleben hineinzuwachsen, begegnet Eltern und Jugendlichen in der Öffentlichkeit sehr häufig die Mischung aus Unverständnis, Sorge und Entrüstung.
Eines der wichtigsten Aufgaben für Freilerner-Familien ist es daher zu verstehen, was hinter diesen Schock-Reaktionen von Leuten steckt: Das Thema Schule ist eines der stärksten Trigger-Themen der Menschheit, sozusagen ein Master-Trigger!
Ähnlich wie Gespräche über Ernährungsformen in wilde Diskussionen münden, gibt es für Bildungswege ohne Schule kaum eine Chance ohne maximale Abwehrreaktionen besprochen zu werden. Ist es nicht so? Teste das bitte gerne mal spaßeshalber selbst:
Wenn Nachbarn, Bekannte oder Fremde das erste Mal, oder auch zum wiederholten Male, hören, dass ihr als Familie einen Freilerner- Bildungsweg außerhalb klassischer Schulstrukturen geht, wie harmonisch, wohlwollend, anerkennend oder neutral fällt da die Reaktion aus?
Erstaunlich, dass vor allem ältere Generationen kaum Akzeptanz in Bezug aufs Schulthema finden können und die Abwehrreaktionen meistens so stark sind, dass sogar geschimpft, gedroht und Gespräche komplett abgebrochen werden. Oder begegnet euch Neugierde, Offenheit und wirkliches Interesse an den Gründen für diese Entscheidung selbstbestimmt zu lernen und aufzuwachsen?
Trigger sind Auslöser oder Reize, die bestimmte Gefühle oder Erinnerungen wachrufen, meist unangenehme oder schmerzhafte aus der Vergangenheit. Sie rühren an traumatische Erfahrungen. Sie verursachen unbewusst und meistens unkontrolliert starkes Abwehrverhalten. Trigger wirken wie eine „Erinnerungstaste“ im Gehirn, bei der alte Erlebnisse und dazugehörige Emotionen auf einmal ganz stark zurückkommen können, auch wenn der Moment heute eigentlich harmlos ist.
Wir wissen heutzutage sehr genau, dass Schule in der Vergangenheit mit kalten, grausamen, manchmal unmenschlichen Zuständen für die Kinder von damals einherging. Es wurde geschlagen, gedemütigt, gemaßregelt, bestraft und eingesperrt. Das gesamte Register einer schwarzen Pädagogik wurde in Schulen durchgezogen. Da wundert es doch kaum, wenn allein das Wort SCHULE schon unbewusste Alarmzustände auslöst.
Wenn Menschen mit diesen alten, unverarbeiteten Traumata nun hören und vorgelebt bekommen, dass sie ohne diese Zwänge, Bedrohungen und Einengung ihren Lernweg sogar genießen und aktiv selbst gestalten, dann ist das quasi manchmal wie ein emotionaler Overkill. Keine Freude darüber, dass es heutigen und künftigen Generationen besser geht, sondern Schock, Scham und Neid, dass sie es selbst nicht so gut hatten. Wir hören dann Sätze wie: “Das hat uns doch auch nicht geschadet.” “Zucht und Ordnung muss sein.” “Man muss in die Schule gehen, damit man lernt und sich benehmen kann.”
Selbstbestimmte Bildungswege lösen bei vielen Menschen Missverständnisse und Trauma-Trigger aus. Ihr Urteil über Freilerner hat also vor allem etwas mit ihnen selbst und ihrer Vergangenheit zu tun. Nicht mit uns Freilernern!
Eine Entscheidung für einen Lebensweg außerhalb von Schulstrukturen löst also im Umfeld oft interne Prozesse aus, die niemand so recht steuern kann. Freilerner-Familien können also Umdenken, Bewusstseinserweiterung und Trauma-Verarbeitung anregen.
Allerdings ist es nicht ihre Aufgabe oder Verantwortung, dass andere Menschen damit klar kommen, wie sie leben und sich bilden.
Individuelle Bildungswege sind also per se nicht leicht. Sie müssen so manchem unfairen Gegenwind oder übler Nachrede trotzen und treffen immer mal wieder auf Widerstände.
Solange die eigene Entscheidung klar, beherzt und unbeirrt getroffen wurde, bleibt der Freilerner-Alltag eher frei: Frei von Fremdbestimmung, Vorurteilen, Missgunst, Projektionen und Schuldzuweisungen. Diese Energie, und den souveränen Fokus auf die eigene Familie und die Sicherheit und Zufriedenheit der Kinder, konstant zu halten – das ist unsere schöne Aufgabe als Familie auf selbstbestimmten Bildungswegen.
Let`s go & enjoy!
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